Frederick William Goudy (1865-1947): Ich bin die Schrift.
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Ich bin die Schrift.
Von meinen frühesten Vorfahren sind weder geschichtliche Überlieferungen noch Überreste erhalten. Die keilförmigen Symbole, in dunkler
Vergangenheit von babylonischen Baumeistern in plastischen Ton eingedrückt, waren meine Vorboten. Die Reihe meiner Ahnen geht von ihnen über die Hieroglyphen der alten Ägypter bis zu den
schönen Handschriftbuchstaben mittelalterlicher Schreiber. Aus der goldenen Vision des findigen Gutenberg, der als erster das Prinzip mich aus Metall zu gießen, anwandte, war die
tiefgründige Kunst des Buchdruckens mit beweglichen Lettern geboren. Kalt starr und unerbittlich mag ich zwar aussehen, aber der erste Abdruck meines Bildes brachte das Wort Gottes zu
unzähligen Tausenden. Ich bringe kostbare Schätze an Wissen und Weisheit ans Tageslicht, die lange verborgen waren im Dunkel der Unkenntnis. Ich gestalte für Euch das bezaubernde Märchen,
die Sittenlehre des Philosophen und die Eingebungen des Dichters, ich ermögliche Euch verdrießliche Stunden die für jeden zuweilen kommen, einzutauschen gegen süße und glückliche Stunden mit
Büchern – Goldene Gefäße gefüllt mit allem Manna der Vergangenheit. In Büchern repräsentiere ich Euch ein Stücke des ewigen Geistes, eingefangen in seinem Lauf durch die Welt, festgehalten in
einem Augenblick und bewahrt für die Ewigkeit. Durch mich wurden Sokrates und Plato, Chaucer und die Barden Eure treuen Freunde, die Euch stets umgeben und Euch helfen.
Ich bin die Armee aus Blei, die die Welt erobert. Ich bin die Schrift.
Gefunden in: Lehnacker, Hans [Hrsg.]: Vita Activa. Georg Trump Bilder, Schriften & Schriftbilder. München, Typographische Gesellschaft
München [1967].
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